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Stoff aus Luft: Mündlichkeit

Antonia Raßmus / Einleitung zum Vortrag „Mündlichkeit und mehr? Überlegungen zu Gattungshybriden im Podcast“

Mündlichkeit hat in der Literatur Konjunktur. Während man in der Vergangenheit vor allem gebunden an Sende- und Veranstaltungszeiten von Radio und Lesungen Einblicke in mündliche Literatur bekam, so sind es jetzt Apps, über die Literatur abgespielt werden kann. Hörspiele, Hörbücher und auch Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit.

Bei den meisten Hörbüchern und Hörspielen handelt es sich allerdings nicht um genuin mündlich konzipierte Literatur, sondern vielmehr um die Umsetzung primär schriftlich gedachter Texte. Der Text bildet die Basis und kann mit einer sehr ähnlichen Rezeptionserfahrung anstelle der akustischen Version ebenso gelesen werden. Das war natürlich nicht immer so. Die Literaturgeschichte kann vielmehr auf eine lange Tradition der Mündlichkeit zurückblicken, welche vor allem im 20. Jahrhundert aufgrund der technischen Neuerungen wieder auflebte. Doch um die Jahrtausendwende und auch in den Jahren danach blieben Experimente zwischen Sprache und Ton eher dem Bereich der Musik vorbehalten. So kann man darüber verwundert sein, dass in der zeitgenössischen Literatur kaum akustische Beispiele zu finden sind, welche die Hilfsmittel und Korpora der medientechnologischen Revolution mit Literatur kombinieren. (Marc Matter: Konzeptuelle akustische Literatur und Sample-Poesie, S. 88-99, hier: 92 vgl.)

Mittlerweile scheint diese Diagnose allerdings überholt zu sein. Ich spiele dazu jetzt ein Hörbeispiel ein: ###. Der gerade gehörte Text „Ein Windhund im Blitzlicht ist immer auch ein Geist“ von Sirka Elspass wurde im Podcast Stoff aus Luft abgespielt. „Stoff aus Luft“ versteht sich selbst als „Magazin für gesprochene Literatur“. Die Texte in dem Podcast lassen sich grob der Kategorie des Spoken Word zuordnen: „‚Spoken Word‘ bezeichnet ein Genre darstellender Kunst, bei dem ein lyrischer Text oder auch erzählende Kurzprosa vor Publikum vorgetragen wird. Obwohl eine Spoken-Word-Performance auch musikalisch begleitet werden kann, kommt dem gesprochenen Wort hier die zentrale Bedeutung zu.”, (Benthien 517). Die Texte sind in jedem Fall auf den mündlichen Vortrag ausgelegt.

Auch im Podcast steht das gesprochene Wort im Vordergrund. Es ist anzunehmen, dass sowohl beim Podcast als auch bei der Spoken Word Literatur bei der Übertragung ins Schriftliche nicht nur Inhalt und Ästhetik, sondern auch Interpretationsmöglichkeiten abhandenkommen würden. Zusätzlich spielen im literarischen Podcast auch Musik, Dramaturgie, Aspekte der Performance, Metafiktionalität und Intermedialität eine Rolle. Daher gehe ich thesenhaft davon aus, dass Podcasts wegen ihrer literarischen, musikalischen und performance-basierten Dimensionen ein geeignetes Speichermedium für Hybride Gattungen und Genres darstellen, welches die mündliche Tradition von Literatur fortsetzen.

Um dieser These nachzugehen, werde ich zunächst einen kurzen Überblick über Formen der mündlichen Literatur und deren Entwicklung geben, wobei die Spoken Word Literatur und ihre mediale, inhaltliche und formale Spannweite im Fokus stehen soll. An dem ausgewählten Podcast „Stoff aus Luft“ werde ich exemplarisch aufzeigen, inwiefern der Podcast als Medium generell literarische, musikalische und performance-basierte Eigenschaften verkörpert. Nun aber zunächst das Thema Mündlichkeit und, spezifischer, die Akustische Literatur.

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