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Ingeborg Bachmanns Literaturbroadcasts

Eeva Aichner (Universität Freiburg): Vortragsexposé

Der literarische Durchbruch (und Beginn ihrer Karriere als ‚Shooting Star der Literatur‘) gelang Ingeborg Bachmann (1926–1973) 1953 mit ihrer Lyrik, doch auch ihre Prosa findet bis heute rege Aufmerksamkeit in der Leserschaft und Forschung. Ebenso kanonisch sind ihre drei Hörspiele, oder zumindest ihr letztes: „Der gute Gott von Manhattan“ (1958), für das Bachmann 1959 als erste Frau den Hörspielpreis der Kriegsblinden erhielt und das 2025 sogar ein Schwerpunktthema für das Abitur im Fach Deutsch in Baden-Württemberg ist. Bachmanns weitere Rundfunkwerke, zu denen 15 Skripte für eine Rundfunkserie („Unsere Radiofamilie“), fünf Hörspieladaptionen von Theaterstücken und Novellen und fünf (sowie zwei verschollene) Radio-Features zählen, sind allerdings ein weitgehend unerforschter Gegenstand des Gesamtwerkes der österreichischen Schriftstellerin.

Auf die letztgenannten fünf erhaltenen Features möchte ich in meinem Vortrag ein Schlaglicht werfen. Sie wurden im Zeitraum 1953–1958 verfasst und bei bundesdeutschen Sendern (BR, SWF, HR) ausgestrahlt. Sie behandeln jeweils philosophische sowie literarische Themen. Darunter fallen ihre ‚Werbemaßnahme‘ Utopie contra Ideologie anlässlich der Neuauflage des „Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil (1954), ihre Vorstellung der Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins „Sagbares und Unsagbares“ (1954), „Das Unglück und die Gottesliebe – Der Weg Simone Weils“ (1955), Einblicke in ein Pandämonium, über das literarische Werk von Marcel Proust (1958), und die Philosophie als Wissenschaft im Wiener Kreis (1953). Ein
Feature zu Freud als Schriftsteller sowie zu Logik als Mystik sind in Briefen dokumentiert, gelten aber als verschollen. Bis auf das Musil-Feature sind die fünf genannten Skripte in der Bachmann-Gesamtausgabe vollständig abgedruckt, beim Musil-Feature fehlt lediglich der Schluss. Die auditiv realisierten Features liegen vermutlich in Rundfunkarchiven, ich habe bislang über den BR nur Zugriff auf das Proust-Feature erhalten.

Wie in ihren literarischen Werken behandelt Bachmann auch in ihren Radiofeatures existenzielle, sprachphilosophische und gesellschaftliche Themen. Die Reichweite ihres Einflusses in diesen Fragen ist nicht zu unterschätzen, allen voran sind ihre prägende Rezeption von Robert Musil und Ludwig Wittgenstein zu nennen, für dessen ‚Wiederentdeckung‘ im deutschsprachigen Raum sie maßgeblich verantwortlich zeichnete. Die promovierte Philosophin setzte sich ausführlich und eigenständig mit ihren Feature-Gegenständen auseinander und bot einem breiten Publikum trotz der anspruchsvollen Sprache einen zugänglichen Einstieg in die Themen an.

Bezeichnenderweise werden die Features in der Forschung meist nur „Radio-Essays“ genannt, ihre Medialität wird überhaupt nicht berücksichtigt, auf das ‚Radio‘ im Kompositum wird nicht eingegangen. Ein besonderes Augenmerk soll in meinem Vortrag also auf die Medienform des
Features gelegt werden, die weit mehr als nur ein „Radio-Essay“ ist. Vor allem der dramaturgische Aufbau rund um die zwei bis fünf Sprecherfiguren soll in meinem Vortrag erstmals untersucht werden.

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