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Erscheinungsbilder

„You Can’t Judge a Book by its Cover“. Oder doch? Im 20. Jahrhundert wird der Buchumschlag zur Präsentationsfläche des Inhalts und ein Buch zunehmend Teil von vielen anderen seiner Art und Ausrichtung – das 20. Jahrhundert ist auch ein Jahrhundert der Buchreihen: Gefällt Dir eines, möchtest Du alle.

Diese Reihen können schmuckvoll ausgestaltet sein (wie zum Beispiel die Reihe der Insel Bücherei) oder regenbogenfarbenbunt (wie die von Willy Fleckhaus entworfene Reihengestalt der edition suhrkamp), aber auch programmatisch einfach (Reclams Universal-Bibliothek) oder nachlässig (Merve, zu dessen Jubiläum 1995 der oben zitierte Titel erscheint –  eine von Hans Peter Kuhn und Hanns Zischler eingerichtete CD mit Stimmen u.a. von  John Cage, Michel Foucault und Paul Virilio). 

Foto: DLA Marbach

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Die Reihen „Pandora“ und „Libri librorum“:

Stefan Zweigs Bibliothek der Weltliteratur (hier die ersten Bände der „Bibliotheca mundi" 1920

Der Schriftsteller Stefan Zweig und Insel-Verleger Anton Kippenberg  planen 1918 ein Großprojekt: Die Buchreihe „Bibliotheca mundi“ soll Werke der Weltliteratur in Originalsprachen versammeln. Angedacht sind gleich drei Reihen, die sich in Zielgruppe und Ausstattung unterscheiden: die einfacher gestaltete „Bibliotheca mundi“, die kostbaren in Leinen oder Leder gebundenen „Libri librorum“ („Buch der Bücher“) und die in mehrfarbiges Überzugspapier eingebundene „Pandora“. Die Reihen fanden allerdings kein Publikum. 1923 wurde das Projekt eingestellt. Mehr

Foto: DLA Marbach

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Die Nummer 1 im Laufe der Zeit (1912–2012):

Nummer 1 der Insel-Bücherei (1912): Rainer Maria Rilkes „Cornet"

Rainer Maria Rilkes „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ ist die Nummer eins der im Jahr 1912 gegründeten, preisgünstig, aber bibliophil ausgestatteten Insel-Bücherei. Schon drei Wochen nach Auslieferung der ersten 12 Bände mussten von mehreren Titeln zweite Auflagen gedruckt werden. Der meistverkaufte Titel war von Anfang an der „Cornet“. Das Spektrum der ebenfalls von Stefan Zweig initiierten Reihe trug deutlich dessen und Kippenbergs Handschrift: Neben zeitgenössischen Autoren wie Rilke und Hofmannsthal dominierten am Anfang Klassiker des In- und Auslands (Goethe, Bürger, Cervantes und Flaubert), historische und politische Schriften sowie Texte des Altertums (Friedrich der Große, Bismarck und Platon). 

„Cornet“-Exemplare aus der Produktionsbibliothek des Insel-Verlagsarchivs zeigen den in sechs politischen Systemen – vom Kaiserreich bis zum wiedervereinigten Deutschland – ungebrochenen Erfolg der Insel-Bücherei. Mehr

Foto: DLA Marbach

Jubiläumsausgabe von Thomas Manns „Buddenbrooks" (1910)

1910 gehen Thomas Manns „Buddenbrooks“ (1901) als Jubiläumsausgabe in die 50. Auflage. Viele weitere Sonderausgaben folgen. Bis heute sind über fünf Millionen Exemplare allein in deutscher Sprache verbreitet. Der Siegeszug des Romans verzögert sich zunächst allerdings wegen einer Äußerlichkeit: Die schmucklose Startauflage von 1901, zweibändig, broschiert und recht teuer, verkaufte sich schleppend. Erst die zweite Auflage, einbändig, schön gebunden und dennoch preiswert, hatte Erfolg.

Foto: DLA Marbach

Bibliothek Suhrkamp

Die Reihe richtet sich gezielt an eine „Leser-Elite“, der „das gute oder erlesene Buch ein unentbehrliches Lebensgut geworden ist“. Mit sechs Bänden pro Jahr soll eine exklusive „Bibliothek der Moderne“ wachsen. Der traditionell gezeichnete Umschlagentwurf von Rudolf Kroth wird von Anfang an als zu unmodern kritisiert. Sieben Jahre wird über das Erscheinungsbild gestritten, bevor Peter Suhrkamp sein Einverständnis zu neuen Entwürfen gibt.

Foto: DLA Marbach

Alfred Anderschs „Die Rote" als „literarium erstdruck“

Als „literarium erstdruck“ bringt der Walter Verlag in Olten Anderschs Roman drei Monate vor offiziellem Erscheinen auf den Markt: 1.000 nummerierte Exemplare (hier: Nummer 877), unaufgeschnitten und auf Werkdruckpapier gedruckt, suggerieren einen exklusiven Blick in die Werkstatt des Büchermachens. Trotz solcher Verkaufsstrategien erntet „Die Rote“ viel Kritik und Andersch unterzieht den Roman 1972 einer „durchgehenden Revision“, bei der er den (hier besonders beworbenen) Schluss sogar komplett umschreibt.

Foto: DLA Marbach

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Foto: DLA Marbach

Reclams Universal-Bibliothek: Große Literatur für das breite Publikum

Schon früh sorgte Reclams Universal-Bibliothek dafür, dass bedeutende Literatur in großem Stile zugänglich und für eine Vielzahl von Menschen zu erwerben war. Der geringe Preis und das handliche Format machten die großen Namen der deutschsprachigen Literatur und der Weltliteratur erreichbar. Aus keiner Schullaufbahn wegzudenken, begleiteten die Reclam-Bände Millionen von Schüler:innen bei ihren ersten Begegnungen mit der Literaturgeschichte.

Foto: DLA Marbach

"Neue Welt": Bücher für deutsche Kriegsgefangene

„Die Einbände in gelber Farbe für die schöngeistigen Titel und in blauer Farbe für die Sachtitel“. Diese Bücherreihe wird für deutsche Kriegsgefangene in den USA produziert, deren Lesestoff im Sinne der „Reeducation“ ausgewählt wird. Das „Neue Welt“-Programm entwickelt der Verlagsbuchhändler Curt Vinz, selbst Kriegsgefangener in Lousiana, gemeinsam mit dem Lageroffizier und Gottfried Bermann Fischer. Auftakt der Reihe, die 1945 in 24 Bänden erscheint, macht „Amerika“ von Stephen Vincent Benét.

Foto: DLA Marbach

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Foto: DLA Marbach

Bloß nicht mehr ockerbraun: Julio Cortázar bei Suhrkamp

Die Erkenntnis, dass Literatur mehr ist als der bloße Text, spielt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Beziehung zwischen Verleger und Autor eine zunehmend wichtige Rolle. Der argentinische Autor Julio Cortázar beschwert sich bei seinem deutschen Verleger Siegfried Unseld über die Farbwahl bei der Publikation seiner Werke als Taschenbuch. 1981 war Cortázars Hauptwerk „Rayuela. Himmel und Hölle“ (1963) bei Suhrkamp erschienen. In der Folge werden die Ausgaben bunter.

Foto: NAWATA Yûji, Chūō-Universität Tokyo

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An die Leserschaft. Anlässlich der Begründung von „Iwanami bunko“
IWANAMI Shigeo

Die Wahrheit will von allen begehrt werden, die Kunst will von allen geliebt werden. Es gab eine Zeit, in der Wissen und Kunst auf die engsten Räume beschränkt waren, um das Volk in Unwissenheit zu halten. Jetzt ist es die ernsthafte Forderung eines stets unternehmungslustigen Volkes, dass Wissen und Schönheit aus dem Monopol der privilegierten Klassen zurückgewonnen werden. „Iwanami bunko“ wurde auf diese Forderung reagierend und durch sie ermutigt geboren. Die Reihe wird lebendige und unsterbliche Bücher aus den Arbeitszimmern der Wenigen befreien und sie auf jeder Straße und unter dem Volk präsent machen. […] Wir nehmen uns das Reclam-Taschenbuch zum Vorbild und wollen nacheinander in denkbar einfacher Form Bücher von wirklich klassischem Wert veröffentlichen, die aus alten und neuen Zeiten, Ost und West, verschiedenen Gattungen wie Literatur, Philosophie, Sozial- oder Naturwissenschaft stammen und von allen gelesen werden sollten. Wir wollen allen Menschen die notwendigen Materialien für die Verbesserung des Lebens und Grundsätze für die Kritik am Leben zur Verfügung stellen. […]

Juli 1927

Aus: Gotthold Emphraim Lessing, „Nathan der Weise“, Tokyo: Iwanami shoten, 1927.

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Zur Autorschaft des Gründungsmanifests vgl. 岩波文庫の80年 (Iwanami bunko no hachijûnen), hg. von 岩波文庫編集部 Iwanami bunko henshûbu, Tokyo: Iwanami shoten, 2007.

Das Buch in "denkbar einfacher Form" – Die Taschenbuchreihe "Iwanami bunko"

ausgewählt und kommentiert von 縄田雄二 NAWATA Yûji

岩波書店 (Iwanami shoten) wurde 1914 von 岩波茂雄 (IWANAMI Shigeo, 1881–1946) in Tokyo gegründet und ist seither einer der führenden Verlage Japans in den Bereichen Literatur, Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften. Ein besonders bemerkenswertes Ereignis in der Geschichte des Verlags war die Begründung von 岩波文庫 (Iwanami bunko) im Jahr 1927. In dieser Taschenbuchreihe werden heute noch Klassiker publiziert, wobei das Gründungsmanifest nach wie vor am Ende jedes Titels abgedruckt wird. Der Text wurde vom Philosophen 三木清 (MIKI Kiyoshi, 1897–1945), der 1922–1925 in Frankreich und Deutschland auch bei Heinrich Rickert und Martin Heidegger studierte, verfasst und von Iwanami bearbeitet. Unter den 22 Titeln, die als die ersten der Reihe im Juli 1927 publiziert wurden, war auch die deutsche Literatur vertreten, nämlich mit Gotthold Ephraim Lessings “Nathan der Weise” in der Übersetzung von 大庭 米治郎 (ÔBA Yonejirô, 1890–1967).

Foto: DLA Marbach

Überlegungen zu einer Neuauflage der „Brandung“ – F. J. Raddatz 1965 an Yukio Mishima

Obwohl Mishima im Alter von 24 Jahren mit seinem Welterfolg „Bekenntnisse einer Maske“ („Kamen no Kokuhaku“, 1949) schlagartig berühmt wird, erscheint in deutscher Sprache zuerst sein Roman „Die Brandung“ („Shiosai“, 1954) – was wohl kaum ein Zufall ist. Für dieses Werk lässt sich der Autor vom spätantiken Liebesroman „Daphnis und Chloe“ inspirieren, ebenfalls von Friedrich Hölderlins „Hyperion“. An der Liebesgeschichte haben deutsche Verlage in den 1950er-Jahren offensichtlich mehr Interesse als an Mishimas politischeren Werken, die kaum ins Deutsche übertragen werden.

Die deutsche Erstausgabe der „Brandung“ erscheint 1959 in Übersetzung von Gerda von Uslar und Oscar Benl als rororo-Taschenbuch. Wie diesem Brief vom 19. November 1965 zu entnehmen ist, plant Fritz J. Raddatz (damals Cheflektor und stellvertretender Verlagsleiter bei Rowohlt) ein paar Jahre später eine Neuauflage des Romans als kartonierter Band in der von ihm gegründeten Reihe „Rowohlt Paperback“. Auch in Raddatz’ Überlegungen zur Buchgestaltung wird klar, welcher Aspekt des Romans im Vordergrund stehen sollte: „Of course we do not want to fix the artist to any line but I should just like to mention that the character of the love story should not be forgotten in the illustrations.“

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