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Fundsachen

Während die Studierenden 2023 im Katalog des Deutschen Literaturarchivs recherchiert haben, haben die Dozentinnen den umgekehrten Weg gewählt und aus der Dokumentation der ersten Dauerausstellung im Literaturmuseum der Moderne (2006–2015) Objektfotos ausgesucht, die mögliche oder scheinbare Eigenheiten einer weiblichen ästhetischen Praxis zeigen. X

Die Dinge in einem Literaturarchiv sind das, was Félix Guattari 2013 mit dem Begriff „protästhetisch“ (Das neue ästhetische Paradigma, Zeitschrift für Medienwissenschaft 8/1, 9-34) definiert hat: Spuren eines subjektiven ästhetischen Empfindungsvermögens, in dem Schreiben, Lesen, Leben und literarischer Text sowie ökonomische, technische, soziale, religiöse, politische und ästhetische Wertsphären noch nicht voneinander geschieden sind.

 

Friederike Mayröcker zu Ostern 1981 an Gabriele und Rainer Wohmann

Selbstporträt von Irmtraut Morgner 1974

"Die lyrische Mißgeburt“ – Selbstporträt von Else Lasker-Schüler 1900

Selbstporträt von Hilde Domin als (Angst-)Hase 1941

Selbstporträt von Ricarda und Richard Huch im Spiegel 1907: ""Ich war, als wir heirateten, 43 Jahre alt, Richard 57; das macht zusammen 100."

Selbstporträts von Mascha Kaléko und Rachel Engel für Walter Zadek 1951

Selbstporträt von Herta Müller auf einer Serviette, die sie 1992 Oskar Pastior schickt (neben ihr am Tisch: ihr Mann ihrem Mann Harry Merkle und der gemeinsame Freund Ernest Wichner.

Selbstporträt von Else Lasker-Schüler 1915 an Franz Marc

Selbstporträt von Sarah Kirsch in ihrem Notizbuch von 1956/66

Fotos von Gisela Elsner 1989 aus dem Vorlass von Günter Herburger

Porträtfoto der siebenjährigen Ricarda Huch: "Als ich noch mollig war!"

Mascha Kaléko 1930 auf Hiddensee

Porträtfoto der siebenundfünfzigjährigen Ricarda Huch in ihrem Arbeitszimmer (Foto: Atelier Elvira)

Porträtfoto von Marie von Ebner-Eschenbach 1906 im Zimmer ihrer Nichte Marianne Kinsky, mit deren Hilfe sie zu dieser Zeit ihre Tagebücher für die Publikation überarbeitet

Foto: DLA Marbach

Sarah Kirschs Foto der Aussicht aus ihrem Schreibzimmer für Heinz Czechowski (1983)

Irmtraud Morgners Notizbuch von 1962, unter anderem mit Material für ihren Roman "Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz" und Zeichnungen zum Umnähen und Kombnieren von Kleidungsstücken

Margarete Susmans Mitschrift einer Vorlesung von Georg Simmel 1900 zur "Philosophie des Geldes!

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Diese wird daher von einem so, anders von jenem gedeutet – ein Kunstwerk hingegen wird zum Maßstab unserer rhytmischen Empfindsam- und Empfindlichkeit und vom Jauchzen eines Menschen vor den höchsten XXX [Durchstreichung nicht lesbar] Leistungen die uns zwanglos das Genie unterbreitet führt die Brücke von ihm zu jenem hinüber.
Ohne Zweifel XXX [Durchstreichung nicht lesbar] {wechselt} in der Entwicklung der Menschheit der Maßstab für das, was dem höchsten Rhytmus entspricht u. was nicht: den Griechen würde das Barocke so wunderlich vorgekommen sein wie ein Wagner neben Beethoven erscheint und wenn ich im Kampf für die höchsten Dinge mich für so viele {bisweilen} allzu sehr ins Zeug lege, ist es vielleicht die Ahnung, daß man auch die Menschheit im Allgemeinen gewöhnen kann im Dreck als ihrem angeborenen Element zu spazieren.
Ich glaube, daß jedes Kunstwerk durch die Leidenschaft zum Rhytmus hindurch erst – die Bewegung von Feldern und Hügeln der schöne Schritt eines Menschen eines Tieres Eigenart alles wird von unserer Leidenschaft ergriffen und umgebildet XXX [Durchstreichung nicht lesbar] zu dem was einem jeden die Natur als seine Sprache bestimmt hat, wenn im rhytmischen Sinne so entsteht das Kunstwerk jedweder Art. Andernfalls triumphiert die Talentlosigkeit.
Wo [1 Wort lesbar] rhytmisches Gefühl in Leidenschaft sich begegnet – schließt der Kampf das Kunstwerk aus – u. es lebt die Liebe. Sie ist das Schönste dieser Erde – weil äußerer und innerer Rhytmus das Gefallen am Schein u. das Leben im Sein zusammentreffen. Während dieses aber vergänglich ist, kommt u. geht & nur Spuren sterblicher Liebe hinterläßt – ist das Kunstwerk unsterblich- weil es über das Persönliche hinauswächst.

Unveröffentlichter Essay von Mechtilde Lichnowsky 1913 über "Rhythmus und Kunstwerk"

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Damals geschah es, dass deutlich der nordpyrennäischen Hirtin
/Als gleich der Waldantilope auf schüchternen Knieen sie ruhte/
Noch vor dem Anbruch des Chaos in felsiger Grotte die Schöne
Äthernajade, umgossen von Tiefblauen Säumen, sich zeigte,
Sie, die vom Brunnen der Schöpfung ganz unbefleckt wurde empfangen,
Mutter gewaltiger Ströme und Brücke der Völker zu werden.
Grösser ward niemals mehr Asien, das Deltaland, wiedergefunden,
Wo unter sanften Lianen die Töchter der Könige gehen
Und an dem Ufer der Flüsse die zarte Umarmung des Brahma
Tief, aber heiter erdulden wie Morgentau trinkt eine Blüte,
Als in dem keuschen Gebirge, der Schäferin goldenen Augen
Und in der gnädigen Quelle, zu welcher die Menschen sich neigten,
Während Gesang aus der Höhe so süsse Begeisterung löste,
Dass / wie aus Waben die Feuer / der Fesselung herrlich entstiegen
Frauen, mit palmigen Händen die Milch ihrer Brüste verhaltend,
Welche gewaltigen Strahles den dampfenden Poren entströmte,
Jünglinge, denen im Aufgang der Kniescheibe Diskus erglänzte
Und an den Armen gleich Bällen die federnden Muskeln aufrollten
Und gleich geglätteten Kugeln das silberne {olympisches} Muskelspiel rollte
erheitertes Muskelspiel
Während Gesang aus der Höhe so süsse Begeisterung löste,
Dass / wie aus Waben die Feuer / der Fesselung herrlich entstiegen
Frauen, mit palmigen Händen die Milch ihrer Brüste verhaltend,
Welche gewaltigen Strahles den dampfenden Poren entströmte,
Jünglinge, denen im Aufgang er Kniescheibe Diskus erglänzte
Und gleich geglätteten Kugeln melodisches {entzückendes} Muskelspiel rollte
Und gleich geglätteten Kugeln erheitertes muskelspiel rollte
Männer, um die sich das Wunder
Männer cyklopischer Bildung, um die sich das Wunder wie Rauch und
Nebligen Dunst aus den Wäldern
Während Gesang aus der Höhe so süsse Begeisterung löste,
Dass wie aus Waben die Feuer / der Fesselung herrlich entstiegen
Frauen, mit palmigen Händen die Milch ihrer Brüste verhaltend,
Welche gewaltigen Strahles den balsamischen Poren entströmte,
Jünglinge, denen im Aufgang der Kniescheibe Diskus erglänzte
Und gleich geglätteten Kugeln entzückendes Muskelspiel rollte,
Männer zyklopischer Bildung um die noch {welche} der Wälder Geheinmis [Vorder- und Rückseite]

Elisabeth Langgässers Entwurf für ein Hexametergedicht ("Damals geschah es", 1926)

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Wien, den 29.12.1983
Liebe Irmtraud Morgner!
Ich hoffe, Sie erinnern sich noch an mich. Ich wende mich heute mit einer Ihnen gewiß ungewöhnlich erscheinenden Bitte an Sie:
Da ich mich seit langem in meiner Freizeit mit Mode beschäftige, möchte ich jetzt einmal sozusagen in der Praxis etwas damit machen. Ich werde also im Frühjahr für der „stern“ eine Modebeilage nach meinen Vorstellungen gestalten. Zu diesem Zweck möchte ich einige Schriftstellerinnen in von mir ausgewählte Stücke der neuen Herbstkollektion für das kommende Jahr stecken. Mir ist dabei vor allem wichtig, selbständige und kreative Frauen, also keine Models, so herzurichten, daß ihre eigene Kreativität mit der Kreativität eines Schöpfers von Kleidungsstücken eine dialektische Wechselwirkung eingehen, daß sich sozusagen beides gegenseitig „durchleuchtet“. Ich glaube, daß meine bisherigen Arbeiten (wenn Sie sie kennen) die Garantie dafür sind, daß mir der kommerzielle Aspekt von Mode und der damit verbundenen Industrie (die ich durchaus kritisch sehe) dabei nicht wichtig ist. Außerdem möchte ich natürlich alles andere als die Frauen für Männer aufputzen, also leicht konsumierbare Objekte aus ihnen machen.
Ich möchte vielleicht Phantasiegeschöpfe aus ihnen machen, der Welt des Konsums und der Konsumierbarkeit durch die Männer entzogen. Das soll dann so aussehen, daß ich für jede der Autorinnen, die mitmacht, ein Kleidungsstück aussuche, das aus meiner Sicht am besten zu ihr paßt. Das Ganze wird dann von einem internationalen Spitzenfotografen für den „stern“ fotografiert.
Falls Sie Spaß an meiner Idee haben könnten, würde ich mich sehr darüber freuen. Alles Nähere können wir dann besprechen. Ich bitte Sie dann noch um Ihre Schuh- und Konfektionsgröße.
Ich rufe Sie auch gern telefonisch zurück.
Einstweilen herzliche Grüße
Ihre
Elfriede Jelinek
München: Tel. 267871 (selten)
Wien: Tel. 974213 (geheim)

[UMSCHLAG, OBEN]
Frau // Irmtraud Morgner // c/o Aufbau Verlag // Französische Str. 32 // DDR-1080 Berlin
[STEMPEL] Wien // 4as // 30.12.83-21 // 1150]
[UMSCHLAG, UNTEN]
E. Jelinek Jupiterweg 40 1140 Wien // Absage. // Antwor2.84

[SEITE 2]
Berlin 2.2.84
Liebe Elfriede Jelinek,
Dank für Ihren Brief und Ihre Einladung. Daß ich Ihnen absage, liegt nicht daran, daß ich nicht gern mal was mit Ihnen mache ich keine Lust habe, mit Ihnen mal was zu machen.Ich bin Ich gehör ja [mehrere Worte nicht lesbar] Wenigstens gehör ich ja zu den Verborgenen im literarischen Werk. Die monieren? wenn ich will. Und ich […] sage […] wie eine Kompostition
das Mannequin gehört ist zum Kompositionsstück in Stoff, Leder, Schmuck. Ich bin weitesgehend eine Schriftstellerin, aber kein Kompositionsstück. Mit der Kleidung halte ich es im Prinzip wie die herrschende Klasse (die Männer), die […]
Umhüllung […] Ich hoff, daß Sie mir meine Weigerung – die in diesem Ton etwas entschieden ist – nicht übel nehmen.
Es grüßt

Anfrage für ein Modeaufnahmenprojekt von Elfriede Jelinek 1984 mit Antwortentwurf von Irmtraud Morgner

Barbara Frischmuths erster Roman "Klosterschule" (1968) mit Foto der Autorin

Postkarte (MAK Kunstedition, "schau wie schön ...") von Elfriede Jelinek 1988 an Fritz J. Raddatz

Titelvarianten zum Ausschneiden: Elfriede Jelineks erstes Buch "Wir sind lockvögel baby" (1970)

 

„gebrauchsanweisung
sie sollen dieses buch sofort eigenmächtig verändern. sie sollen die untertitel auswechseln. sie sollen hergehen & sich überhaupt zu veränderungen ausserhalb der legalität hinreissen lassen. ich baue ihnen keine einzige künstliche sperre die sie nicht durchbrechen könnten. ich hole sie ganz heran & zeige ihnen die noch unbemerkten hohlräume in ihrem organismus die bereit sind für völlig neue programmierungen.
sie brauchen das ganze nicht erst zu lesen wenn sie glauben zu keiner gegengewalt fähig zu sein. wenn sie aber gerade daran arbeiten jenen massiven offiziellen kontrollen & ihre organe zu unterminieren zu zerstören dann ist es unsinnig & verfehlt diese zeit für das lesen des buches zu verschwenden“

Postkärtchen, die Hannah Arendt 1965 an ihre Freundin Lotte Köhler schickte (beide wohnten in Manhattan nur wenige Blocks auseinander)

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Vor der Abreise erhalten und in einem Café am Boulevard St. Germain korrigiert!
Herzliche Grüße // Ihre // Ingeborg Bachmann
Auch die Bleistiftkorrekturen gelten.
Frage: Ist der Plural von Gurt Gurte od. Gurten.?
(1. Bogen: 5. Abs. und 4. Bogen 1. Absatz.)

Ingeborg Bachmann 1955 an Joachim Moras, Redakteur des "Jahresring 55/56"

Hilde Domin 1947 an Peter Huchel als Widmung in ihrem Buch "Von der Natur nicht vorgesehen – Autobiographisches

Judith Schalanskys Spickzettel für eine Biologie-Klausur 1994

Agnes Günthers Manuskript des Erfolgsromans "Die Heilige und ihr Narr" mit Ergänzungen für die Veräffentlichung

 

„Erst die Bücher geben uns etwas, die unsere Seele in Schwingungen versetzen“, begründet ein Kritiker den unwahrscheinlichen Erfolg dieses Romans, in dem Liebe und Leben der schönen Fürstentochter Rosemarie von der eifersüchtigen Stiefmutter zerstört werden. Günther, die mit über 40 Jahren ihren einzigen Roman schreibt und kurz nach dessen Abschluss stirbt, erlebt seinen Erfolg nicht mehr: Im Jahr der Erstveröffentlichung 1913 verkaufen sich über 60 Tausend Exemplare, 1944 sind es schon eine Million.

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{Friederike Mayröcker // Erstschrift zu 1 Gedicht}
Konzept FM
wie 1 Fliege mit Bein oder 1 Zicklein
vornübergebeugt 1 deutlicher
zärtlicher Schatten auf dem V am
Außenrand des Trinkglases, ja, selbst
die Fühler die Pfoten des lieben
Zwitter Geschöpfs waren aufgemalt
in Lippenhöhe beinah, eigentlich
hatte es mit den Augen zutun Fliegenauge Auge des Alpentraums
wie Laura sagte, ich der Pinsel
geriet ans Glas statt ans zu bemalende
Augen Geviert: Revier der Seele
ach, wie besorgt die zahlreichen Tassen
Teller und Hibiscusfluren, auch
(von Sorgenmund Trauerschläfe
man läse lieber Tr.-Schleifen
nein, Trauerschleife Trauer Gespann
so sitz ich Küchen Küchen [1 Wort nicht lesbar, evtl.: Mamale] Manuale
ach am frühen Morgen

Friederike Mayröckers "Erstschrift zu 1 Gedicht" (Sammlung Klaus Siblewski / Luchterhand) auf der Rückseite eines Who-is-who-Formblatts für Ernst Jandl (ohne Datierung)

Margarete Hannsmanns "Tagebuch meines Alters"

 

Hannsmann schreibt vom 1.1.1989 bis 1.1.1990 Tagebuch: „Wieder einmal der Versuch, Tagebuch zu führen. Das Unbehagen an der Schmierschrift, den Korrekturen. Das ‚Für die Nachwelt‘ störte mich. Die Eitelkeiten. Jetzt also versuche ich es wieder mit losen Zetteln. Gleich hinterher abtippen, sonst sind sie verloren wie in den vergangenen fünfzig Jahren.“

Sarah Kirschs Schreibübungen für die "linkische Hand" 1988

Else Lasker-Schüler 1916 an Ernst Hardt

 

Ernst Hardt, seit 1915 für die Kriegsnotstandskasse der Deutschen Schillerstiftung zuständig, die Schriftsteller*innen unterstützt, leitet diesen Brief, „den ich mir als ein Kuriosum zurückerbitte“, weiter: „Ich glaube, wir müssen dieser neurasthenischen Sapho unter die taumelnden Arme greifen, sie ist ein unglücklicher Hungerleider.“

 

Ingeborg Bachmann 1956 an Inge Aichinger als "Inge" und an Günter Eich als "Sappho"

start stop

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Werbetext von Mascha Kaléko 1935 für das "Haus Vaterland" in Berlin (Hörauschnitt Deutsche Grammophon)

Else Lasker-Schüler im August 1933 aus Locarno an Heinrich Zimmer in Heidelberg

 

Die 64-jährige Lasker-Schüler ist am 19. April 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland fast mittellos in die Schweiz geflohen, zunächst nach Zürich: „Ich bin zuerst in Zürich gewesen, schlief 5 Tge am Wasser. Rappelte mich langsam in die Höhe – denn die Engländer und Franzosen u. hollandischen Dichter mögen meine Verse und dann gings.“

Foto: DLA Marbach

Notizzettel von Nelly Sachs für "Abram im Salz" 1944

Handabguss von Sophie von Adelung um 1900

Zeichnung von Ilse Aichinger 2016

Notizbuch von Irmtraut Morgner 1965 mit Notizen zu "Filmgeschichten der männlichen und weiblichen Emanzipation"

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Tielenhemme, 2. April 1985
Liebe Margarete,
die Palme ist angekommen und wir lieben sie sehr, ein wunderschönes Blatt, hab vielen Dank. Das sieht wunderbar in dem Schulzimmer aus zu Tafel und Flügel. Und hier im Norden kann man solch eine wackere Palme gut gebrauchen. Unsere Menagerie hat sich vergrößert, die 3 Schafmütter sind glücklich niedergekommen. Insgesamt 5 Lämmer, 1 weißes, 3 pechschwarze, 1 meliertes, 3 weiblich, 2 Böckchen. Die schwarzen sehen wie die Pudelhunde aus. Mit winziger Blesse. Und die Schildkröte kam auch aus dem Winterschlaf nun heraus, die Bachstelzen sind da, alles untrügliche Anzeichen fürs Frühjahr. Aber noch wüten Stürme und die Wiesen sind Sümpfe. Sitzest Du brav in Deiner Schreibstube drin und schreibst alles auf? Ich gebe mir auch Mühe, aber nun sind die Handwerker hereingekrochen, Roberts Flur kriegt Paneele, dann noch ein Bücherregal einbauen, darnach die Maler, da stehen wir Kopf und Robert will immer dazwischen. Deshalb wird der Brief eher zu kurz als zu lang. Wir grüßen Dich alle zuhauf und die Palme raschelt noch in der Rolle bevor sie ihr Glas hat.
Deine Sarah.

Sarah Kirsch 1985 an Margarete Hannsmann (Sammlung HAP Grieshaber)

Sarah Kirschs Manuskript "Walgedichte Wild-Sonette" 1982

Postkarte, die Ricarda Huch 1908 an ihre neunjährige Tochter Marietta Ceconi schickt

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[Löschna
Per Mährisch-Weisskirchen]
7.II.{1}911.
Sehr geehrter Herr!
Meinen herzlichsten Dank für Ihre freundliche Aufforderung aber – unter den Lyrikern unserer Heimat genannt zu werden, kommt mir nicht zu, da ich ja nie einen selbstständigen Band Gedichte herausgegeben habe. Die wenigen von mir veröffentlichten Verse sind schon vielfach abgedruckt worden, und verdienen die Aufnahme nicht in einem so ernsten Werke, wie das von den Herren Meyer und Jessen in Berlin geplante.
Mit besten Empfehlungen,
sehr geehrter Herr
Marie v. Ebner-Eschenbach

Marie von Ebner-Eschenbach 1911 an Camill Hoffmann

Goethe in Sarah Kirschs Tagebuch 1964/65: "Hätten sie Telefone gehabt, wär ich frei"

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Frankfurt M, 22.9.48
27.9. // 1978
Liebes Fräulein Martens,
zu den mir übersandten Manuskripten möchte ich Ihnen (in Eile, weil die Ilse sie Ihnen wieder mitnehmen soll) folgendes sagen:
Erla Uhlig. Frauenfrage und Ressentiment. Inhaltlich sympathisch aber in der Form wenig ansprechend, trocken, ohne Salz. Die neuen Seinsmöglichkeiten der Frau wenigstens anzudeuten, wäre wichtiger gewesen als diese umständliche Ablehnung eines wahrscheinlich von niemanden sehr ernst genommenen Vorschlags. Einen kürzeren Aufsatz über diese neuen Seinsmöglichkeiten von der Autorin zu verlangen, wäre denkbar.
Ehe Auch dieser Aufsatz schwerfällig langatmig, theorthisch. Interessant die Stelle über die Ehe als Urmotiv (Wiederholung des Elternhauses) auch über das Zusammenleben bei gegenseitiger erotischer Freiheit und über die Ehe als Beistandspakt. Diese Themen zu trennen und einzeln kurz zu behandeln, wäre fruchtbarer
Möller, Gedichte M.E. nach im Ausdruck konventionell, rythmisch unbefriedigend, unklar ohne Magie. Die Wortwahl ist oft peinlich (Göttlein!)
Celan, Gedichte Manchmal etwas verblüffend (Mann mit der Nelke!) aber im Ganzen doch erfreulich selbstständig im Ausdruck und im Gedanken und der Bildwahl. Ich würde zum Abdruck in Betracht ziehen: Lichtstrahl, Corona, Aegypten, Auf Reisen.
Ich werde, wenn ich Anfang Oktober in Paris bin, versuchen mich mit dem Dichter in Verbindung zu setzen. Wollen Sie ihm das bitte schreiben und auch, dass ich ab 4.10. im Schloss Royaumont zu erreichen bin.
Ott, Fürstenspiegel Der blaue Schakal und Affe und Krokodil gefallen mir am besten. Eine unbedingte Notwendigkeit, etwas aus dieser Sammlung zu bringen, sehe ich nicht. E. Emmerich Die offensichtlich gut fundierte, klare und gescheite Studie müsste mit einem Gesang aus dem heute völlig vergessenen Messias abgedruckt werden. Dazu wäre aber wohl nicht genug Raum wie überhaupt die Literaturgeschichte mir nicht ganz in den Rahmen der Wandlung zu passen scheint.
Kutschera Die eigenen Briefe sind trotz aller enthusiastischen Hingabe nicht sehr angenehm. Der Brief von Schaffner ist ganz interessant, aber er wird ihn gewiss nicht allein hergeben.
W. Krämer Ueberbewusst, verkrampft, unglücklich in der Wortwahl, ohne Gnade.
Rinser, Luise Wichtig gescheit, lebendig. Unbedingt nehmen.
S. Gall Aufrichtige Bemühung um Ehrlichkeit, Selbsterziehung und soziales Verhalten. Im Ausdruck etwas einfältig, zu viel Frage sprachliche Flüchtigkeiten. Abdruck nur möglich unter dem Motto „Die Jugend Hat das Wort“!
Herzl. Gruss! M.L.K.

Marie Luise Kaschnitz 1946 an die Zeitschrift "Die Wandlung" (aus dem Nachlass von Dolf Sternberger)

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Falun Schweden 5/12 1921

Herzlichen Dank für das schöne Buch! Hätte es selbst nicht besser tun können

Ihre ergebene Selma Lagerlöf

[LINKS]
Fräulein Nelly Sachs
Schriftstellerin
Siegmundshof 16
Berlin

Die Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf an die 21-jährige Nelly Sachs, die ihr ihren ersten Gedichtband "Legenden und Erzählungen" gewidmet hat

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Johannes, soeben Dein wunderbarer Brief mit den herrlichen Gedichten. Was für ein Glück für mich. Wollte Dir das kleine Inselbuch Glühende Rätsel schicken aber ich weiss nicht ob man Bücher schicken darf. Hier ist „Noch feiert tod das Leben“ in schwedischer Übersetzung von Erik Lindegren herausgekommen. Hier ist es schon um 3 Uhr dunkel aber Dein Brief leuchtet in der Nacht und Deine liebe Familie ist gesund und Dähnerts sind froh durch Dich so sind wir uns nah immer.
Seid gesegnet und ein schönes Fest ein glückliches neues Jahr. Von Herzen
Li
17.12.64

Nelly Sachs 1964 an Johannes Bobrowski aus Stockholm

Sarah Kirschs Kommentar auf einem Arbeitsblatt für den Deutschunterricht

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Wien, 18.11.71
Lieber Professor Bense –
so bedankt sich ihre:
[ZEICHNUNG] Friederike
für den schönen Aufsatz in Ihrem wunderbaren neuen Buch (Realität d. Literatur), das ich heute zuende gelesen habe. Ich fühle mich Ihnen wie eh und je innig verbunden –
immer Ihre F
(nehmen Sie mir den Zeichenspaß oben nicht übel – manches kann man nur zeichnen – ?)
[RANDBEMERKUNG, LINKS]
Ernst kommt Mitte Dezember aus Austria zurück, Gottseidank, wir freuen uns beide. Nächstes Jahr im April machen wir eine gemeinsame 6-wöchige USA-Lesetour!
[RANDBEMERKUNG, RECHTS]
(Ich arbeite wie verrückt zur Zeit, neue Texte!)
Alles Liebe und Gute Gesundheit Ihnen (und allen Stuttgarter Freunden)

Friederike Mayröcker 1971 an Max Bense

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