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#StepOne: Curators

Für den ersten Schritt von „Narrating Africa“ haben wir selbst in den Beständen des Deutschen Literaturarchivs geschaut und uns gegenseitig befragt: Was ist für Dich Afrika?

Ko-Kuratoren bei #StepOne waren darüber hinaus Bruno Arich-Gerz, Annette Bühler-Dietrich, Urs BüttnerMargaret Frenz und Dag Henrichsen.

 

Jan Bürger (Leiter des Siegfried Unseld Archivs und verantwortlich für das literarische Veranstaltungsprogramm)

 

„Afrika ist für mich seit den Anti-Apartheid-Demonstrationen der 80er-Jahre, an denen wir als Jugendliche teilnahmen, eine feste Größe. In meinem ziemlich politisierten Umfeld tauchten damals immer wieder Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern auf, vor allem aus Ghana, aber auch Mitglieder der SWAPO. Als Student beschäftigte ich mich mit den wirtschaftlichen Problemen Afrikas. Ebenso mit dem Exotismus der Expressionisten. Gelegentliche Kontakte nach Afrika waren immer selbstverständlich. Warum ich noch nie in afrikanische Länder gereist bin, kann ich mir selbst nicht erklären.“

Ulrike Ganz (Sekretärin des Science Research Center for Text Studies an der Universität Stuttgart)

 

„Das Objekt, das für mein ‚narratives Afrika‘ steht, ist eine Kette, vermutlich aus Apfelkernen, die ein Besucher aus Uganda meiner Mutter als Gastgeschenk überreichte. Er wohnte drei Monate bei uns und besuchte uns später immer wieder, wenn er in Deutschland war. Die Kette hat mich sofort in ihren Bann gezogen.“

Heike Gfrereis (Leiterin der Museen im Deutschen Literaturarchiv)

 

„‚Jenseits von Afrika‘ nach Tania Blixens Lebensgeschichte ist der einzige Film, den ich im Kino drei Mal hintereinander angeschaut habe. Ich war 17. So klingt das Erste, was mir zu Afrika einfällt, sehr europäisch, sehr romantisch und ein wenig nach Mozarts Klarinettenkonzert: ‚Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngong-Berge. Nach allen Seiten war die Aussicht weit und unendlich. Alles in dieser Natur strebte nach Größe und Freiheit.'“

Vera Hildenbrandt (wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Museen)

 

„Meine erste erinnerbare Begegnung mit Afrika hatte ich in Meyers bebildertem Kinderlexikon – mit dem zwischen Rakete und Flugzeug, Arktisbewohner und Judoka, Hirschkäfer und Enzian abgebildeten Geparden auf dem Buchdeckel und der schlichten Karte Afrikas im Inneren, die ich – fasziniert von Größe und Form des Kontinents – abpauste. Möglicherweise rührt mein literaturwissenschaftliches Interesse an deutschsprachigen Texten, die dieses reduzierte Afrikabild erweitern, aus dieser frühen Begegnung.“

Stefanie Hundehege (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Referat Forschung und Projektkoordinatorin)

 

„In den Werken meiner Lieblingsautor:innen der englischsprachigen Literatur ist die britische Kolonialvergangenheit allgegenwärtig: In Charlotte Brontës ‚Jane Eyre‘ (1874) findet die Titelheldin heraus, dass ihr Verlobter, Mr. Rochester, bereits verheiratet ist und seine geistesgestörte Ehefrau Bertha, eine Kreolin aus der britischen Kolonie Jamaika, im Dachgeschoss seines Anwesens versteckt hält. Sherlock Holmes’ Freund Watson, ein pensionierter Militärarzt, kehrt 1878 schwer verwundet und fiebrig – ‚als der Typhus, jener Fluch unserer indischen Besitzungen mich niederstreckte‘ (‚Eine Studie in Scharlachrot‘, 1887) – aus Indien nach London zurück. Agatha Christies Kriminalromane spielen oft in britischen Mandatsgebieten im Mittleren Osten – ‚Mord in Mesopotamien‘ (1936), ‚Sie kamen nach Bagdad‘ (1951) – oder in den britischen Kolonien in Afrika – ‚Der Tod auf dem Nil‘ (1937).“

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  • Stefanie Hundehege: „Ich sah erst mit einigem zeitlichen Abstand, dass ich eigentich eine ganz andere Frage beantwortet habe, nämlich eher: ‚Was bedeutet für mich Kolonialgeschichte?‘ Also: neuer Versuch. Den afrikanischen Kontinent habe ich noch nicht bereist. Die Bilder in meinem Kopf stammen aus der Literatur (Alexander McCall Smiths Buchserie ‚The No. 1 Ladies‘ Detective Agency‘, seit 1998), aus dem TV

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    Stefanie Hundehege: „Ich sah erst mit einigem zeitlichen Abstand, dass ich eigentich eine ganz andere Frage beantwortet habe, nämlich eher: ‚Was bedeutet für mich Kolonialgeschichte?‘ Also: neuer Versuch. Den afrikanischen Kontinent habe ich noch nicht bereist. Die Bilder in meinem Kopf stammen aus der Literatur (Alexander McCall Smiths Buchserie ‚The No. 1 Ladies‘ Detective Agency‘, seit 1998), aus dem TV (Trevor Noah, seit 2015 Moderator der ‚Daily Show with Trevor Noah‘, spricht in der Show gelegentlich über seine Kindheit in Südafrika) und aus Filmen (zum Beispiel Marvels ‚Black Panther‘, der 2018 eine öffentliche Diskussion um die Repräsentation afrikanischer Kulturen ausgelöst hat). Unübersehbar ist, dass es sich bei allen genannten Beispielen um amerikanische oder britische Produktionen mit afrikanichen Akteuren handelt. Ich freue mich, dass sich mein Horizont seit Projektbeginn weitet: Ich lese Felwine Sarr, Nuruddin Farah, Sharon Dodua Otoo, Chinua Achebe, Inua Ellams, Lorraine Hansberry und füge den Bildern in meinem Kopf neue Eindrücke, Facetten und Stimmen hinzu.“

Anna Kinder (Leiterin des Referats Forschung)

 

„Ich war selbst bisher noch nie in Afrika, kenne es nur lesend, hörend und sehend, vermittelt über Sprache, Musik, Bild und Erzählung, und freue mich darauf, das im Rahmen unseres Ausstellungs- und Forschungsprojekts zu ändern.“

Daniel Knaus (Doktorand an der Universität Stuttgart und wissenschaftliche Hilfskraft in den Museen)

 

„Menschen erzählen beständig: Sie verarbeiten Geschehen durch Auswahl und Anordnung, schaffen Welten – auch manipulativ. Diese Manipulationen aufzudecken, gehört für mich zum Thema ‚Narrating Africa‘.“

Martin Kuhn (wissenschaftlicher Volontär in den Museen und Doktorand an der Universität Stuttgart)

 

„Durch den ‚Gepardenmann‘ Matto Barfuß und die Verhaltensforscherin Jane Goodall, die in Tansania das Verhalten von Schimpansen erforschte, entstand in meiner Kindheit ein erster Zugang zum afrikanischen Kontinent und der Wunsch, selbst ‚Naturforscher‘ werden zu wollen. In der Literaturwissenschaft war es der exotistische Expressionismus, der mich wieder zur Beschäftigung mit einem hundert Jahre alten verzerrten Afrikabild führte.“

Tamara Meyer (wissenschaftliche Volontärin in den Museen und Doktorandin an der Universität Tübingen)

 

„Während meines Studiums in Brasilien beschäftigte ich mich sowohl mit brasilianischer und portugiesischer Literatur als auch mit lusophoner Literatur aus den ehemaligen Kolonien Angola und Mosambik: Welchen Einfluss hat die koloniale Vergangenheit auf die heutige afrikanische Literaturszene? Und welche Bedeutung hatte die panafrikanische Bewegung in Portugal?“

Sandra Richter (Direktorin des Deutschen Literaturarchivs)

 

„Afrika ist für mich Idee und Projekt. Es bedeutet so viel wie: den homo sapiens an seinem Ursprung aufsuchen, Vielfalt in mentaler und religiöser Hinsicht, moderne und archaische Lebensformen, lokale Hybridkulturen in Amerika, Europa und andernorts, verbunden mit Handelsbeziehungen, die es stärker zu entwickeln gilt.“

Julia Schneider und Verena Staack (beide für Bildungsprojekte in den Museen zuständig)

 

„Wir sind beide bislang nur lesend mit dem afrikanischen Kontinent in Berührung gekommen. Umso schöner, dass wir vor einigen Monaten Kontakt zum Stuttgarter Verein ‚Hit the beat‘ bekamen, der in interkulturellen Bildungsprojekten mit Musik, Tanz und Bewegung junge Menschen vor allem aus Namibia, Südafrika und Deutschland zusammenbringt. Im September fand eine Konzerttournee von 24 Schüler:innen aus der Waldorf School Windhoek durch Deutschland statt. Zur selben Zeit hatten wir 20 Jugendliche aus ganz Baden-Württemberg im Rahmen der Kulturakademie Baden-Württemberg der Stiftung Kinderland bei uns auf der Schillerhöhe. Eine gute Gelegenheit also, einen Austausch zwischen den namibischen und deutschen Jugendlichen anzustoßen.“

Merisa Taranis (Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Literaturwissenschaften an der Universität Stuttgart)

 

„Leïla Slimani, Marie N’Diaye, Frantz Fanon und Aimé Césaire begleiteten mich durch das Studium und prägten mein Denken, wenn es um Diversität, kulturelle Heterogenität und Eurozentrismus geht. Zugleich öffneten sie mir den Blick für deutschsprachige hybride Autoren wie Sharon Dodua Otoo, Feridun Zaimoglu und Saša Stanišic.“

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