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Warum moderieren

Über das Ziehen von Fäden und das Herstellen von Beziehungen. Bild und Text: Sabrina Rosalie Rösch

 

Wenn ich an einem Faden dieses dichten Geflechts von Aufgaben, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Moderierens  ziehen müsste, würde ich den der Beziehung wählen, denn sind es nicht gerade die Beziehungen zur Welt, zu Objekten und Subjekten, die uns beschäftigen und Resonanz in uns erzeugen?

Als Moderator*in einer Veranstaltung stehe ich stets vor der Aufgabe, Beziehungen entstehen zu lassen, eigentlich sogar ein ganzes Beziehungsnetz zu etablieren. Es geht darum, die Menschen – Autor*in, Publikum und sich selbst, den*die Moderator*in – im sozialen Raum zu verorten, ihre Rollen zu definieren, die einzelnen Figuren auf dem Spielfeld in Kontakt zu bringen, ebendiese Begegnung fruchtbar zu machen und damit eine Antwortbeziehung zwischen den verschiedenen Beteiligten der Literaturveranstaltung, Resonanz eben, zu erzeugen. Das mit den Beziehungen als Ansatzpunkt scheint also gar nicht mal so schlecht zu passen.

Nur, wo anfangen, mit der Beziehungsarbeit?

 

Moderator*in: Ich habe mich im Blick

Am besten beim Naheliegendsten, also Dir. Werde dir deiner Funktion im besonderen Beziehungsgeflecht ‚Literaturveranstaltung‘ bewusst: Es geht schließlich darum, mit dem*der Gast*ästin ein möglichst interessantes und bereicherndes Gespräch über Literatur zu entwickeln – interessant und bereichernd für das Publikum und nicht etwa, für dich als Literaturkritiker*in, Literaturwissenschaftler*in oder welchen professionsbezogenen Hintergrund du auch immer mitbringen magst. Verstehe mich hier nicht falsch, es geht nicht darum, Dich als Mensch, also Deine Person aus dem Gespräch herauszuziehen, nein,

vom Menschsein und Menschenerleben lebt das Literatuveranstaltungsformat ja gerade; aber du solltest dir der Gefahr bewusst sein, womöglich zu sehr die eigenen Interessen im Gespräch befriedigen zu wollen und darüber das Publikum zu vergessen. Sei dir deiner Stärken und Schwächen in Bezug auf Auftreten, Gesprächsführung und soziale Interaktion im Allgemeinen bewusst; so kannst du sie geschickt umgehen oder charmant einsetzen, je nachdem, was der Rahmen gebietet. Auf dieser Basis ist es dir möglich, selbstbewusst und authentisch aufzutreten, du selbst zu sein und gleichzeitig deine Funktion als Moderator*in adäquat zu erfüllen. Ein solche Auftreten, das Professionalität und Individualität auf gelungene Weise vereint, kann wiederum entkrampfend auf die anderen Beteiligten wirken und erlaubt dir, mithilfe von Körpersprache etwaige Schwellen und Hierarchien im Raum abzubauen und so einen fruchtbaren Boden für Neugier und Aufmerksamkeit im Gegenüber zu schaffen. Ein*e entspannte*r Autor*in wird es dir wiederum leichter machen, einen offenen, fließenden Dialog zu führen und dabei eine Balance zwischen Lenkung und Flexibilität, Sicherheit und Spontanität zu wahren.

Moderator*in und Autor*in: Ich und Du als Team

Neben einem wachen, reflektierenden Blick auf dich selbst, ist es für eine gelungene Resonanzerfahrung aber mindestens ebenso wichtig, ein Gespür für deine*n Gesprächspartner*in zu entwickeln. Hier besteht die Möglichkeit, im Vorhinein mit dem*er Gast*ästin persönlich in Kontakt zu treten, um bereits eine Beziehung zum*ur Autor*in aufzubauen, gegenseitig einen ersten Eindruck voneinander zu gewinnen und sich außerhalb vom Scheinwerferlicht zu beschnuppern – vergiss nicht, bei aller Professionalität sind wir doch alle Menschen, die einander kennenlernen und einschätzen können wollen, wie jemensch so tickt. Ein solcher Rahmen böte auch Gelegenheit, um mögliche Unsicherheiten, Fragen oder beispielsweise unterschiedliche Erfahrungshintergründe zu thematisieren und die Veranstaltungssituation so im Voraus bezüglich etwaiger Anspannung sowohl auf Moderations- wie Gastseite zu entlasten.

Moderator*in, Autor*in und Publikum: Die Dreiecksbeziehung Ich, Du und Ihr

Dass sich bei einer Literaturveranstaltung nicht nur die Beteiligten auf der Bühne wohlfühlen sollten, sondern auch die zahlenden Gäste, das Publikum, von der Moderation mit in diesen Spielrahmen zu integrieren sind, ist selbstredend. Auch hier gibt es verschiedene Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um allen Beteiligten mit ihren jeweiligen Bedürfnissen entgegenzukommen und in Beziehung zueinanderzusetzen: Nehmen wir beispielsweise die Anordnung und Situierung der jeweiligen Plätze. Die einschlägigen Orte und Formate von Literaturveranstaltungen sind zumeist hochgradig kulturell, die Person des*er Autor*in auratisch aufgeladen; an diesem Punkt könnte man balancierend ansetzen, und den habituellen Rahmen sowohl wahrnehmen als auch durchbrechen, indem man alle Beteiligten auf dieselbe Ebene platziert, anstatt schon allein durch die Fallhöhe zwischen Bühne und Publikumsplätzen ein Machtgefälle zu inszenieren. Ein anderer Ansatzpunkt in diesem Kontext betrifft einen Gestus vonseiten der Moderation, der bewusst versucht, die Dichotomie zwischen Inszenierung und Authentizität aufzulösen und stattdessen eine Balance im Gespräch zu schaffen; denn häufig erfahren die Leser*innen einen Mehrwert in dem Besuch einer Lesung gegenüber der häuslichen Lektüre gerade dann, wenn sie das Gefühl haben, den*ie Autor*in als Person kennenlernen zu lernen, also den Menschen, der das Werk geschaffen hat, das einem so gut gefällt. Dieses Bedürfnis ist nur zu gut nachzuvollziehen, führt es doch zu intensiven Resonanzerfahrungen, wenn eine persönliche, ganz individuelle Beziehung aufgebaut werden kann; gleichzeitig obliegt es dem*er Moderator*in, indiskrete und allzu private Fragen auf charmante Weise abzuschwächen oder umzuformulieren, sodass die Schwelle zwischen Biographie und Literarisierung, zwischen Persönlichem und Privatem berührt, doch keinesfalls überschritten wird.

Und zu guter Letzt:

Mach dich in puncto Beziehungsarbeit nicht zu verrückt; dass du nicht mit jedem*er Autor*in und jeder Publikumszusammensetzung auf dieselbe Weise ‚vibest‘ ist natürlich und gehört zum Menschsein ebenso dazu wie das Bedürfnis, gesehen werden zu wollen. Versuche in solchen Situationen, die dir schwieriger erscheinen, eine Haltung einzunehmen, die letzteres verkörpert, also strahle aus, dass du dich, den Gast und das Publikum wahrnimmst und ihre Interessen siehst – dann hast du in meinen Augen das beste Rüstzeug für deine Gratwanderung aka Moderation.

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