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Sport

Schiller spielte, das heißt für Rafael Ossami Saidy: Schiller übte. Seine Sätze sind Tanzschritte des Geistes, die er mit einem Netzwerk von Freunden trainierte. Ossami Saidy, Susanne Brendel und Simon Kluth reagieren darauf mit neun Videos, die jeweils von einem Schiller-Zitat (Sprecherin: Susann Thiede) ausgehen und von Ludwigsburg nach Marbach führen.

 

Übung 1

Im ersten Film wird die Nähe zum besonderen Moment erfahren. Ein Zustand sollte, falls er nicht genießbar ist, wenigstens ausgehalten werden:

„Du bist meine Luise. Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest? (…) Mein Herz ist das gestrige, ist’s auch das deine noch? (…) Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichung zu machen?…du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe? (…) Du, Luise, und ich und die Liebe! – – Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? Oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?“

(aus „Kabale und Liebe“)

 

Übung 2

Im zweiten Film wird in der Träumerei ein Unterricht gesucht, so schauervoll er auch sein mag. Die Geschichten urteilen bisweilen härter als jedes weltliche Gericht:

„Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gerichte sich endigt. (…) Das ganze Reich der Phantasie und Geschichte, Vergangenheit und Zukunft stehen ihrem Wink zu Gebot. Kühne Verbrecher, die längst schon im Staub vermodern, werden durch den allmächtigen Ruf der Dichtkunst jetzt vorgeladen und wiederholen zum schauervollen Unterricht der Nachwelt ein schändliches Leben.“

(aus „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“)

Übung 3

Im dritten Film wird die Neugier nicht satt von der Wahrheit. Die Protagonist:innen geben sich Mühe:

„Wer diesen Schleier hebt, soll Wahrheit schauen? / ‚Sei hinter ihm, was will! Ich heb ihn auf.‘ / Er sprichts und hat den Schleier aufgedeckt. / Nun, fragt ihr, und was zeigte sich ihm hier? / Ich weiß es nicht. Besinnungslos und bleich, / So fanden ihn am andern Tag die Priester / Am Fußgestell der Isis ausgestreckt. / Was er allda gesehen und erfahren, / Hat seine Zunge nie bekannt. Auf ewig / War seines Lebens Heiterkeit dahin, / Ihn riß ein tiefer Gram zum frühen Grabe./ ‚Weh dem‘, dies war sein warnungsvolles Wort, / Wenn ungestüme Frager in ihn drangen, / ‚Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld, / Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.‘ “

(aus „Das verschleierte Bild zu Sais“)

Übung 4

Der vierte Film ist eine Untersuchung. Er versucht, sich selbst und uns in einem neuen Licht zu sehen. Hat sich etwas verändert?

Wenn Gram an dem Herzen nagt, wenn trübe Laune unsere einsamen Stunden vergiftet, wenn uns Welt und Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten unsre Seele drücken und unsre Reizbarkeit unter Arbeiten des Berufs zu ersticken droht, so empfängt uns die Bühne – in dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wieder gegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern unsre schlummernde Natur und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eignen aus – der Glückliche wird nüchtern und der Sichere besorgt.“

(aus „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“)

 

Übung 5

Im fünften Film wird weder dem Text, noch der Stimme, noch dem Gesicht über den Weg getraut und trotzdem alles dafür getan, um eine Aussage treffen zu können.

„Die willkürliche Bewegung ist mit der ihr vorangehenden Gesinnung zufällig, die begleitende hingegen nothwendig damit verbunden. Jene verhält sich zum Gemüth, wie das conventionelle Sprachzeichen zu dem Gedanken, den es ausdrückt; die sympathetische oder begleitende hingegen wie der leidenschaftliche Laut zu der Leidenschaft. Jene ist daher nicht ihrer Natur, sondern bloß ihrem Gebrauch nach Darstellung des Geistes. Also kann man auch nicht wohl sagen, daß der Geist in einer willkürlichen Bewegung sich offenbare, da sie nur die Materie des Willens (den Zweck), nicht aber die Form des Willens (die Gesinnung) ausdrückt. Von der letztern kann uns nur die begleitende Bewegung belehren.Daher wird man aus den Reden eines Menschen zwar abnehmen können, für was er will gehalten sein, aber das, was er wirklich ist, muß man aus dem mimischen Vortrag seiner Worte und auf seinen Geberden, also aus Bewegungen, die er nicht will, zu errathen suchen. Erfährt man aber, daß ein Mensch auch seine Gesichtszüge wollen kann, so traut man seinem Gesicht, von dem Augenblick dieser Entdeckung an, nicht mehr und läßt jene auch nicht mehr für einen Ausdruck seiner Gesinnungen gelten.“

(aus „Über Anmuth und Würde“, 1793)

Übung 6

Der sechste Film ist eine klassische Meditation, in der das Ganze und seine Teile gleichzeitig gedacht werden, um ganz im Hier und Jetzt zu sein.

„Auseinandergerissen wurden jetzt der Staat und die Kirche, die Gesetze und die Sitten; der Genuß wurde von der Arbeit, das Mittel vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur an ein einzelnes kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück aus; ewig nur das eintönige Geräusch des Rades, das er umtreibt, im Ohre, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die Menscheit in seiner Natur auszuprägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts, seiner Wissenschaft.“

(aus „Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen“)

Übung 7

Wir sollten reden! Der siebte Film räumt das Durcheinander der Gedanken auf, indem es das Gespräch sucht. Im Gegenüber lassen sich Ansichten, Meinungen und Überzeugungen auf eine Prüfung ein und die Zuhörenden werden unterhalten und aufgeklärt.

Der Schriftsteller, der für die Sache des Königs öffentlich streitet, darf bey dieser Gelegenheit schon einige wichtige Wahrheiten mehr sagen, als ein anderer (…) Vielleicht räthst Du mir an zu schweigen, aber ich glaube, daß man bei solchen Anlässen nicht indolent und unthätig bleiben darf. Hätte jeder freigesinnte Kopf geschwiegen, so wäre nie ein Schritt zu unserer Verbesserung geschehen. Es giebt Zeiten, wo man öffentlich sprechen muß, weil Empfänglichkeit dafür da ist, und eine solche Zeit scheint mir die jetzige zu seyn.

(aus: „Brief an Körner, 21. Dezember 1792“)

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